Eine Decke, flauschig, sanft, behangen mit Schnurrbarthaaren.
Weich schmiegen sich die rauen Stoppel an meine Haut, kratzen nur ein wenig.
Warm ist die Decke und groß ist sie auch.
Viele passen darunter, doch nur die Glücklichen haben das Randstück.
Randstücke mochte ich schon immer am liebsten. An der Pizza, am Kuchen,
An der Warteschlange, da aber bitte der vordere Rand.
Ränder sind nicht zu unterschätzen, denn nur wenn es einen Rand gibt, dann gibt es auch eine Mitte.
In der Mitte ist es warm und kuschelig,
aber nicht so kuschelig wie unter deinen Schnurrbarhaarigen Fransen,
oh du meine Lieblingsdecke.
Von Wikingern sind deine stoppeligen Barthaare, von Kriegern und Kämpfern.
Sie kämpften einst für Länder und Schätze.
Jetzt kämpfen Sie für meine Wärme, eingewoben in harter Wolle.
Sie bieten den klaren Kontrast den es in jeder Beziehung braucht.
Mann, Frau. Weiß, Schwarz, Hell, Dunkel. Warm und Kalt.
Die Schnurrbarthaare sind stumm und stoppelig, doch im Geiste höre ich sie Brüllen,
in alter Wikinger Manier.
So wie auch ich brülle, wenn mir kalt ist.
Und mir ist immer kalt.
Im Sommer, im Winter, auch im Frühling. Im Frühling sowieso,
denn da gibt es nichts Halbes und nichts Ganzes.
Es scheint die Sonne, doch scheint es nur so, denn es ist kalt.
Kalt wie der Norden, in dem einst die Wikinger segelten.
Eingehüllt in erlegtes Walrossfell, bewaffnet und betrunken.
Ich bin auch betrunken.
Vor Wärme.
Denn die kalterprobten Wikinger haben ihre Härte bis in ihre Baarhaarspitzen wachsen lassen,
und bärtlich skalpiert frieren sie nun im Gesicht, die Wikinger.
Und ich kann mich einkuscheln in ihre Borsten aus stahlharter, drahtiger Gesichtsbahaarung.
Und auch ich werde ein Wikinger und brülle und kämpfe.
Gegen die Kälte.
In mir und in dir, du der da sitzt und kalt bist.
Mitleidslos kaufst du dir den nächsten Pumpkin Spice Latte vom Starbucks,
um auf Insta und Twitter deinen Followern zu zeigen wie hipp du bist.
Aber die sind genauso kalt wie du und kein Latte wird das ändern.
Es wird euch immer kälter, denn die Erde wird wärmer und die Menschen ärmer.
Aber solange du deinen Latte hast ist dir eh alles Latte.
Und die Welt ist für dich in Ordnung.
Bald aber wirst du merken dass du frierst und keiner da ist um dich zu wärmen,
denn es keinen mehr gibt, der dich wärmen kann.
Die Wikinger sind alle keine Krieger mehr, haben das Fell eingetauscht,
tragen jetzt nur noch Röhre und keine Socken.
Denen wird auch bald kalt sein. Aber das wissen die jetzt noch nicht.
Und dass sie Ihre Bärte und ihr Kampfgeschrei eingetauscht haben
gegen das nächste Triklopen-iPhone, das wird ihnen erst zu spät bewusst.
Und ich, ich habe alle Bärte eingesammelt, habe sie rau und borstig gelassen und sie verwebt,
in eine Decke, die ich mir überwerfe, wie einen Umhang,
Dann wird man den letzten Wikinger hören, wie er da steht und brüllt.
Und kämpft. Und einsam wird sein Ruf hallen, denn alle werden erfroren sein,
in ihren Röhren dastehend, mit einem Latte und einem iPhone in der Hand.
Und keiner wird sich mehr rühren können,
Erstarrt vor Kälte hat das Telefon ihren Blick gefangen genommen.
Und niemand wird mehr das rohe unberührte Land sehen.
Ich werde es beanspruchen, denn ich, der letzte Wikinger,
bin eingehüllt in meine Schnurrbarthaarige Fransendecke.